Plattenepithelkarzinom unbekannten Ursprungs im Kopf- und Halsbereich: Ein Expertengespräch zu einer neuen ASCO-Leitlinie

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Dieser Inhalt ist eine Adaption eines ASCO-Leitlinien-Podcasts, der am 23. April 2020 zur Diagnose und Behandlung von Plattenepithelkarzinomen unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich veröffentlicht wurde. Dieses Gespräch wurde hinsichtlich Länge und Inhalt angepasst.

Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) hat kürzlich eine Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von Plattenepithelkarzinomen unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich auf ihrer Website veröffentlicht. Leitlinien helfen Ärzten bei der Auswahl der besten Behandlungsmethoden für Menschen mit Krebs, indem sie aktuelle Empfehlungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geben.

In diesem Q&A erörtert die Autorin der Leitlinie, Dr. med. Jessica Geiger, was ein Plattenepithelkarzinom unbekannten Ursprungs im Kopf- und Halsbereich ist, welche neuen Empfehlungen für die Diagnose und Behandlung von Menschen mit dieser Diagnose gelten und was diese Leitlinie für Patienten bedeutet. Dr. Geiger ist medizinischer Onkologe am Taussig Cancer Institute der Cleveland Clinic und auf Krebserkrankungen im Kopf- und Halsbereich spezialisiert.

Q: Was ist ein Plattenepithelkarzinom unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich?

A: Krebs kann in vielen verschiedenen Arten von Zellen entstehen. Das Plattenepithelkarzinom beginnt in den flachen Plattenepithelzellen, aus denen die dünne Gewebeschicht auf den Schleimhautoberflächen der Strukturen im Kopf- und Halsbereich besteht. Beim Krebs unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich handelt es sich um ein metastasierendes Plattenepithelkarzinom, das sich in den Halslymphknoten des Halses befindet. Wichtig bei Krebs unbekannter Herkunft ist, dass kein primärer Schleimhauttumor identifiziert wurde. Diese Patienten machen etwa 5 % aller Fälle von Kopf- und Halstumoren aus und stellen für alle Mitglieder des Behandlungsteams eine Herausforderung dar, sowohl in Bezug auf die Diagnose als auch auf das Behandlungsmanagement. Da unklar ist, wo genau der Krebs seinen Ursprung hat, muss sich das Behandlungsteam fragen, wie man bei diesen Patienten am besten vorgeht?

Q: Worin bestehen die Herausforderungen bei der Diagnose von Plattenepithelkarzinomen unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich?

A: Die diagnostischen Herausforderungen beginnen, wenn ein Patient mit einer Masse im Hals untersucht wird. Sie haben oft bildgebende Untersuchungen und eine klinische Untersuchung erhalten. Aber bei etwa 3 bis 5 % der Patienten können wir nicht feststellen, wo der Tumor seinen Ursprung hat. Plattenepithelzellen tauchen nicht von selbst in den Lymphknoten auf, sondern sie kommen von irgendwo anders her. Das macht die Diagnose unter anderem deshalb so schwierig, weil wir nicht ohne weiteres erkennen können, wo sich der Primärtumor befindet. Oft ist der Tumor sehr klein, so dass er weder bei der Bildgebung noch bei einer körperlichen Untersuchung auffällt. Außerdem sind diese anatomischen Teile des menschlichen Körpers manchmal schwer zu beurteilen. All dies zusammen kann eine Herausforderung für die korrekte Diagnose darstellen.

Q: Was empfiehlt die ASCO bei der Diagnose eines Plattenepithelkarzinoms unbekannter Ursache im Kopf- und Halsbereich?

A: In erster Linie benötigen wir wie immer eine vollständige Anamnese und körperliche Untersuchung. Die körperliche Untersuchung sollte eine fiberoptische Laryngoskopie umfassen, bei der das gesamte Schleimhautgewebe untersucht wird, um Anomalien zu finden und festzustellen, wo genau der Krebs entstanden ist.

Um ein Plattenepithelkarzinom zu diagnostizieren, wird eine Biopsie im Hals durchgeführt. In diesen Leitlinien wird entweder eine Feinnadelaspiration oder eine Kernnadelbiopsie empfohlen. In den Leitlinien wird auch angegeben, wann eine zusätzliche pathologische Untersuchung durchgeführt werden sollte. Diese zusätzlichen Tests dienen dazu, nach Hochrisiko-Humanpapillomaviren (HPV) zu suchen, insbesondere in den Lymphknoten in der Mitte des Halses, oder auf Epstein-Barr-Viren (EBV) zu testen, da dies auf ein mögliches Nasopharynxkarzinom hinweisen kann. Mit diesen zusätzlichen Tests versuchen wir, die mögliche Primärlokalisation zu bestimmen: Oropharynx mit HPV-Tests, zum Beispiel, oder Nasopharynx primär mit EBV-Tests.

Dann haben wir Richtlinien für die Bildgebung. Die bevorzugte Wahl ist eine CT-Untersuchung des Halses mit Kontrastmittel, nicht nur, um die Anzahl und Lage der Lymphknoten besser beurteilen zu können, sondern auch, um nach Hinweisen auf den Primärtumor zu suchen. Wenn dabei kein Primärtumor gefunden wird, empfehlen wir eine PET-Untersuchung.

Q: Was empfiehlt die ASCO für die Operation von Plattenepithelkarzinomen unbekannter Herkunft im Kopf- und Halsbereich?

A: Zunächst benötigen alle Patienten im Rahmen der Diagnose eine vollständige chirurgische Beurteilung der oberen Luft- und Speiseröhre. Der Chirurg ist in der Lage, alle Gewebe besser sichtbar zu machen, und es werden Proben von allen Stellen entnommen, bei denen ein Verdacht auf möglichen Krebs besteht.

Die Empfehlungen für die Operation umfassen auch, wann und welche Tonsillektomien durchgeführt werden sollten. Die Empfehlungen richten sich danach, wie weit sich der Krebs auf die Lymphknoten ausgebreitet hat. Befindet sich der Krebs in Lymphknoten auf beiden Seiten des Halses? Oder nur auf einer Seite? Wie groß sind die Knoten? Besteht die Befürchtung, dass sich der Krebs über die Kapsel der Lymphknoten hinaus ausbreitet? All das spielt eine Rolle bei den Empfehlungen zur chirurgischen Diagnostik oder Intervention.

Wenn ein Primärtumor identifiziert und eine therapeutische Operation geplant ist, gibt es klare Empfehlungen und Richtlinien, alles zu unternehmen, um den Tumor mit negativen Rändern zu entfernen; das bedeutet, dass keine Krebszellen am Rand des entfernten Tumors gefunden werden. Der Grund, warum wir betonen, dass negative Ränder das Ziel sind, liegt darin, dass wir versuchen zu vermeiden, dass drei Behandlungsarten eingesetzt werden müssen, was als trimodale Therapie bezeichnet wird. Wenn bei der Operation ein positiver Rand verbleibt, wird wahrscheinlich eine Strahlentherapie plus Chemotherapie empfohlen. Wir wollen versuchen, die Nebenwirkungen der trimodalen Therapie zu vermeiden.

Die Empfehlungen für eine Halsoperation werden danach unterteilt, ob es sich um eine kleinvolumige oder großvolumige Erkrankung handelt. Bei einseitiger oder beidseitiger kleinvolumiger Erkrankung des Halses oder bei kleinen Lymphknoten auf einer oder beiden Seiten des Halses empfehlen wir eine multidisziplinäre Diskussion im Behandlungsteam darüber, ob eine Operation mit Halsdissektion oder eine Strahlentherapie am besten ist. Auch hier ist es unser primäres Ziel, mit möglichst wenigen Behandlungsmethoden angemessen zu behandeln, um unerwünschte Nebenwirkungen von kombinierten Behandlungsplänen zu minimieren. Bei großvolumigen Halserkrankungen auf beiden Seiten des Halses oder wenn der Verdacht besteht, dass der Tumor über die Grenzen der Knotenkapsel hinausgewachsen ist, wird eine kombinierte Chemo- und Strahlentherapie bevorzugt; dies wird als Chemoradiotherapie bezeichnet.

Q: Was empfiehlt die ASCO für die Strahlentherapie?

A: Wenn ein Patient eine Strahlentherapie als primäre Behandlung für Krebs unbekannter Herkunft erhält, empfehlen wir, dass die Strahlentherapie auf die betroffenen Lymphknoten und auch auf Teile des Kopfes und des Halses gerichtet werden sollte, die als Risikobereich für mikroskopische Krebszellen gelten. Es reicht also nicht aus, nur das zu bestrahlen, was wir in der Bildgebung sehen, sondern auch die Bereiche, in denen ein Risiko für eine mikroskopische Ausbreitung besteht, d. h. Krebs kann vorhanden sein, aber wir können ihn in der Bildgebung oder bei der Untersuchung nicht sehen.

Die Leitlinien für die Strahlentherapie enthalten auch Empfehlungen zu Volumen und Dosis. Welche Dosen verwenden Sie? Wo setzen Sie diese Dosen ein? Diese Dosen wurden aus etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen für herkömmliche Plattenepithelkarzinome des Kopfes und Halses extrapoliert, bei denen wir wissen, wo sich der Primärtumor befindet.

Q: Was empfiehlt die ASCO für die systemische Therapie mit Medikamenten?

A: Wenn es um die medikamentöse Behandlung von Krebs geht, empfehlen wir, die Strahlentherapie mit einer Chemotherapie zu ergänzen, um die Wirkung der Strahlentherapie bei großvolumigen Knotenerkrankungen zu verstärken, d.h. bei einem einzelnen großen Knoten von mehr als 3 cm Länge, bei mehreren metastasierenden Lymphknoten und/oder bei Krebs, der sich über die Grenzen der Knotenkapsel hinaus in die umliegenden Weichteile ausbreitet.

Es gibt auch Empfehlungen für Krebs mit unbekanntem Primärtumor, der mit einer Operation behandelt wurde. Wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Krebs außerhalb der Lymphknoten und in das umgebende Gewebe gewachsen ist, was als extrakapsuläre Ausdehnung bezeichnet wird, empfehlen wir, die Strahlentherapie nach der Operation durch eine Chemotherapie zu ergänzen.

Wenn Ihr Arzt befürchtet, dass es sich um ein Epstein-Barr-bedingtes Nasopharynxkarzinom in den Stadien 2 bis 4A handelt, empfehlen wir auch in diesen Fällen eine zusätzliche Chemotherapie zur Strahlentherapie. Die von der ASCO empfohlene Chemotherapie ist Cisplatin (als Generikum erhältlich). Auch dies basiert auf etablierten Studien und wissenschaftlichen Erkenntnissen bei Kopf- und Halskrebs.

Q: Wie werden sich diese Leitlinienempfehlungen auf die Patienten auswirken?

A: Diese Leitlinie ist wichtig, weil eine große Anzahl von Patienten mit Krebs unbekannter Ursache vorstellig wird und eine standardisierte Anleitung für Menschen mit dieser Diagnose benötigt wird. Es handelt sich um evidenzbasierte Empfehlungen und Leitlinien, die sich auf einen multidisziplinären Ansatz konzentrieren, um diesen Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.

Wir hoffen, dass diese Leitlinie den Patienten die Gewissheit gibt, dass sie unabhängig davon, wo sie behandelt werden, eine qualitativ hochwertige Standardbehandlung erhalten. Es sollte keine Rolle spielen, wo oder von wem sie behandelt werden; sie werden nach dem Pflegestandard behandelt, der in der gesamten onkologischen Fachwelt akzeptiert ist und sich durch wissenschaftliche Nachweise bewährt hat.

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